Lieblingsgezwitscher Juni 2015

Lieblingsgezwitscher Juni 2015

Über diese Tweets habe ich im letzten Monate entweder gekichert oder mich sogar schlapp gelacht oder intensiv nachgedacht oder ich finde sie sonstwie unbedingt mitteilenswert.

Etwas politiklastig meine Favoriten vom letzten Monat….

Es ist wieder da, das gesunde Volksempfinden!

Es ist wieder da, das gesunde Volksempfinden!

Am Samstag hat der SPD-Konvent nun also den zweiten Versuch einer Totalüberwachung von 80 Millionen Menschen beschlossen. Mich hat das jetzt nicht sonderlich überrascht, aber was mich dann völlig sprachlos machte, war dieser Tweet des Innenministers von Baden-Würtemberg, Reinhold Gall (SPD):

Reinhold_Gall_Twitter

Diese Äußerung lässt mich seit Samstag nicht nur sprachlos zurück, sondern ich bin seitdem so richtig, richtig wütend.

Was kommt als nächstes?
Sind demnächst dann auch Folter, Erpressung oder Lynchjustiz in Ordnung, um Straftäter zu überführen? Kommt es jetzt wieder, das gesunde Volksempfinden?

Dass eine derartig dämliche Äußerung auch noch dem Innenminister einer rot-grünen Regierung entfährt, ist dann das Sahnhäubchen. Liebe Parteifreunde in Baden-Württemberg: Ein solcher Innenminister ist für eine grün geführte Landesregierung untragbar und gehört gefeuert! Ich hoffe, ich kann mich da auf Euch verlassen.

Allerdings meinen Reinhold Gall und seine anderen Kollegen das mit ihren eigenen “vermeintlichen Freiheitsrechten”  in diesen ganzen “Kinderschändertweets” sicher nicht ganz so ernst (da rauschte die letzten zwei Tage noch eine Menge ähnlicher Unsinn von SPDlern durch Twitter. Herr Gall war da nicht der einzige….). Es geht Ihnen dann doch nur um unsere Grundrechte. Das merkt man an solchen Kleinigkeiten:

 

Ich könnte kotzen! Echt jetzt!

 

Update 22.06.2015: Statt nur wild herum zu pöbeln, wie ich das hier tue, hat Herr Lobo sich ebenfalls dieses Tweets angenommen und in einem wundervollen Text Wort für Wort analysiert, warum dieser eine Satz eine Katastrophe ist. Wer also Lust hat sich in einem längeren Text darüber zu informieren, warum dieser Tweet unwürdig für einen Innenminister in einer Demokratie ist, bitte hier entlang:

WIE MAN NICHT FÜR DIE VORRATSDATENSPEICHERUNG ARGUMENTIERT

 

Auf die SPD ist halt Verlass!

Auf die SPD ist halt Verlass!

 

Der SPD-Konvent hat anscheinend gerade mit 124 Stimmen dafür und 88 Ablehnungen (bei 7 Enthaltungen) für die erneute Einführung einer Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Und das obwohl doch angeblich bei einer Mehrheit der SPD-Landesverbände aktuelle Beschlüsse gegen die Vorratsdatenspeicherung vorliegen.

Aber Gabriel hat das gemacht, was SPD-Parteivorsitzende ja immer gerne machen. Er hat die “Machtkarte” gespielt und mit Rücktritt oder Schädigung der Koalition oder was weiß ich gedroht. Und wenn das passiert, ist auf SPD-Delegierte immer Verlass – immer: Sie knicken ein! Überrascht mich jetzt nicht wirklich.

Aber diese Verlässlichkeit hat auch ihren Vorteil. Ich bin nicht enttäuscht und auch nicht wütend. Ich hoffe nur, dass das nicht etwa schon ein Zeichen von Altersmilde ist. ;o)

Und ich hoffe auch, dass auf das Bundesverfassungsgericht genauso Verlass ist….

 

Muss dieses Kätzchen wirklich sterben?

Vorratsdatenspeicherung KatzeWer mich offline oder auch nur online kennt, weiß es: Ich bin ein großer Verfechter von Bürger- und Freiheitsrechten sowie der informellen Selbstbestimmung. Staatliche Überwachung ist mir in jeder Form ein Gräuel und wird von mir im Rahmen meiner Möglichkeiten so gut bekämpft, wie es mir möglich ist.

Aus diesem Grund habe ich mich auch 2007 an der Sammelklage gegen den ersten Versuch der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung beteiligt. Und aus diesem Grund werde ich mich auch jetzt wieder gegen die im Koalitionsvertrag der GroKo beschlossene Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung stemmen! Ob’s was bringen wird? Ich weiß es nicht! Aber sich nicht zu engagieren, wird das anlasslose und verdachtsunabhängige Speichern aller unserer Verbindungsdaten auch nicht verhindern….

Ohne totale Überwachung müssen wir alle sterben!
Die zukünftigen Koalitionäre sind sich ihrer Sache jedoch selber nicht ganz sicher. Das kann man daran erkennen, dass versucht wird, die VDS mit immer perfideren Argumentationsketten zu rechtfertigen. So manche Politiker lügen sogar dafür (oder haben einfach keine Ahnung von der Materie). Letzten Endes läuft die Argumentation unserer überwachungsfanatischen Innenpolitiker jedoch immer auf das gleiche Muster hinaus: Wenn kein Anschlag passiert, liegt es an der Überwachung. Wenn ein Anschlag passiert, liegt es an mangelnder Überwachung. Wenn ein Anschlag aufgeklärt wird, liegt es an der Überwachung.

Das Fazit folgt immer unverzüglich: Nur die totale Überwachung könne deshalb das Supergrundrecht der Sicherheit garantieren. Dass die Grundrechte unserer Verfassung größtenteils Abwehrrechte gegen den Staat sind und sich ein Grundrecht auf “Sicherheit” deshalb aus gutem Grund in unserer Verfassung nicht finden lässt, wird gerne ignoriert. Die Überwachungslobby nutzt jedes noch so hirnrissige Argument und jeden unlauteren Trick, um die Bürger dieses Staates davon zu überzeugen, dass unsere Sicherheit erst dann gewährleistet ist, wenn auch der letzte Winkel unseres Lebens ausgeleuchtet, kontrolliert und überwacht ist.

Interessanterweise gibt es aber ein anderes Grundrecht, das ebenfalls nicht in der Verfassung gelistet ist. Dieses Grundrecht wurde durch das Bundesverfassungsgericht von dem einzigen Supergrundrecht abgeleitet, das unsere Verfassung kennt, nämlich der Menschenwürde1. Und jetzt ratet mal was das für ein Grundrecht ist, das sich zwar nicht explizit in der Verfassung findet, aber von unseren höchsten Richtern 20o8 definiert wurde: Das “Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“. Dieses Grundrecht besagt ganz einfach, dass ich mich als Bürger darauf verlassen können muss, dass mich der Staat nicht über meine IT-Geräte überwacht. Es ist zwar einschränkbar, aber nur unter strengen Auflagen und nur bei einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut2. Und damit kommen wir jetzt zu dem eigentlich Anlass für diesen Beitrag hier:

Richard Gutjahr zeigt in einem  sauber recherchierten Artikel nämlich deutlich auf, dass die bisher möglichen Überwachungsmaßnahmen, entgegen allen Lippenbekenntnissen der Überwachungslobby, größtenteils nicht für den Kampf gegen Terrorismus oder gar Kinderpornografie eingesetzt werden. Sondern für “Bagatelldelikte”, zumindest im Rahmen des oben genannten Grundrechts! Und dass das Argument, die Überwachungsmaßnahmen würden unter Richtervorbehalt stehen, ebenfalls nur eine Schönwettererklärung ist! Den Artikel findet ihr auf seinem BlogBitte lesen!

Richard Gutjahr hat mir damit aber nicht nur die Überschrift für diesen Beitrag, sondern auch diese wunderschönen Motive geliefert! Und er hat uns allen erlaubt, die Motive zu verteilen und verbreiten!

Bekenntnisse zum Datenschutz nur politische Heuchelei
Es ist doch offensichtlich: Trotz Lippenbekenntnisse unserer Politiker zum Datenschutz und täglich neuer Enthüllungen über die NSA-Schnüffeleien durch Edward Snowden, ist das primäre Ziel unserer aktuellen und auch zukünftigen Regierung die umfassende Überwachung der Bürger in diesem Land. Seit zwei Jahrzehnten sind wir immer noch damit beschäftigt, die Methoden der Stasi aufzuarbeiten und die “armen Bürger der DDR” zu bedauern, während unsere Regierung schleichend ein Überwachungsnetz über uns ausbreitet, welches der feuchte Traum eines jeden MfS-Mitarbeiters gewesen wäre. Bedauerlicherweise ist das Thema in diesem unserem Lande immer noch ein Nebenkriegsschauplatz, der von einem großen Teil der Bevölkerung nicht wahrgenommen oder einfach ignoriert wird. Und ich befürchte, das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern.

Ich habe doch nichts zu verbergen…
…warum sollte ich mir also einen Kopf darüber machen? Das ist ein oft gehörtes Argument und leider auch ein ziemlich dummes. Abgesehen davon, dass ich persönlich nicht in einem Land leben möchte, in dem die politische Elite jeden Bürger für einen potentiellen Verbrecher hält, gibt es da auch noch den sogenannten “Chilling Effekt”.

Überwachung beschränkt unser tägliches Leben
Der Begriff beschreibt die Tatsache, dass Menschen ihr Verhalten bereits in dem Moment ändern, in dem sie sich einer Überwachung bewusst werden. Das mag bei einer der Überwachung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf unseren Straßen noch Sinn machen, im Leben der Menschen hat dieser Effekt fatale Auswirkungen. Wer würde denn heutzutage noch regelmäßig mit seinem völlig harmlosen Freund “Achmed” telefonieren, wenn er sich bewusst wäre, dass das jedes Mal festgehalten und gespeichert wird? Und das in Zeiten des “weltumfassenden islamistischenTerrors” (An dieser Stelle möge sich der geneigte Leser bitte ein dramatisch spielendes Orchester vorstellen)! Wer würde denn im Stadtpark, auf dem nächtlichen Heimweg von der Stammkneipe, sein dringendes Bedürfnis im Gebüsch erledigen, wenn er weiß, dass der Park komplett videoüberwacht wird? Und wer würde sich etwa gar noch trauen, sich im Netz Pornografie anzusehen, wenn er sich bewusst sein muss, dass das jedes Mal festgehalten und gespeichert wird? Staatliche Überwachung ist die Einschüchterung des Bürgers durch Kontrolle und somit ein massiver Eingriff in unser persönliches Leben. Denn jeder von uns hat, auf die eine oder andere Art, etwas zu verbergen! Und deshalb gilt es, die Überwachungsphantasien unserer Politiker zu bekämpfen! Und zwar jeden Tag auf’s Neue!

 
  1. Die Menschenwürde ist unantastbar und somit in keiner Weise einschränkbar []
  2. Leib, Leben und Freiheit der Person, Sicherheit des Staates, Grundlagen der menschlichen Existenz []
 

Mann, bin ich froh…

… dass ich die SPD Anfang der 90er mit wehenden Fahnen verlassen habe1

Gut, ich hätte dem Verein dann spätestens mit Schröder und Hartz IV ein fröhliches “Tschüss” zugerufen, aber ich freue mich manchmal schon erheblich früher die politische Reißleine gezogen zu haben.

Auf jeden Fall kann ich mich im Moment so richtig gehässig darüber amüsieren, dass der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ganz heftig befürwortet aber die Totalüberwachung durch die USA ganz furchtbar böse findet. Wie heuchlerischer kann man als Politiker eigentlich noch werden….?

Da aber Herr Opermann vom hoffnungsvollen SPD-Bewerber um das Vizekanzleramt in seinem Schattenkabinett zum Innenminister ernannt wurde, stellt sich mir jetzt die Frage, ob ich mich ab September vielleicht darauf einstellen muss, von einem Politiker mit einer multiplen Persönlichkeit regiert zu werden?

Beruhigend, dass auch einige netzaffine SPDler verzweifelt mit den Zähnen knirschen2, wie beispielsweise hier oder hier… ;o)

 
  1. Der ausschlagegebende Grund war übrigens die Zustimmung der SPD hierzu []
  2. Da fällt mir doch siedend heiß ein, dass ich der SPD noch eine Rechnung über meinen Zahnersatz schicken wollte, da ich die Partei früher mehrmals nur mit heftig schädigendem Zähneknirschen wählen konnte… []