Ich muss mich mal kurz aufregen…

Bananenrepublik… und zwar über das Mediengedöns zur Basisabstimmung der SPD zum Koalitionsvertrag.

Grundsätzlich halte ich das Theater, das die SPD-Führung gerade mit und für ihre Basis aufführt, für eine schlecht gespielte Tragik-Komödie oder sogar eine tragische Groteske! Ich bin mir jedenfalls sicher, dass die SPD-Altvordereren, angefangen bei Wilhelm Liebknecht, Friedrich Ebert über Kurt Schumacher bis hin zu Willy Brandt, vereint auf einer Wolke sitzen  und eimerweise heiße Tränen der Enttäuschung, Verbitterung und des Fremdschämens über ihre “Enkel” vergießen.

Aber die Säue, die da inzwischen bezüglich dieser Basisabstimmung durch die Medienlandschaft getrieben werden, nehmen langsam eine ähnlich groteske Gestalt an: Da wird das Land in der Hand der Genossen gesehen, Staatsrechtler sprechen dem Entscheid die vefassungsrechtliche Legitimität ab und Sigmar Gabriel muss sich mit Frau Slomka rumstreiten.

Also mal ganz ehrlich, dass ist doch wirklich Quatsch! Ich bin jetzt kein Verfassungsrechtler, aber ich halte die Argumentation, der Mitgliederentscheid sei verfassungsrechtlich bedenklich, ebenfalls für eine österreichische/bayerische Mehlspeise1! (OMG! Ich bin einer Meinung mit Gabriel!)

Wieso gegen die Verfassung?
Liebe Kritiker und Staatsrechtler, verratet mir mal: Wann in der Geschichte der Bundesrepublik hätten denn die Abgeordneten des Bundestages jemals (direkt) über einen Koalitionsvertrag abgestimmt? Bisher wurde doch wohl jeder Koalitionsvertrag von irgendwelchen Parteigremien der Koalitionäre verabschiedet, oder? Warum sollten aber ein Parteivorstand oder ein Parteitag  legitimierter zu einem Votum sein,  als die rund 470.000 Mitglieder einer Partei? Deshalb möge mir man mir bitte genau erklären: Warum ist es für die Gewissensfreiheit des Abgeordneten unbedenklich, wenn ein Parteitag über den Koalitionsvertrag abstimmt und bedenklich, wenn das die Parteimitglieder tun? Und inwieweit zwingt das Basisvotum den Abgeordneten, seine Gewissensfreiheit aufzugeben, ein faktischer Fraktionszwang und das übliche Hinterzimmergeklüngel aber nicht?
Liebe Medien und Verfassungsrechtler, lasst bitte mal die Kirche im Dorf.

Aber mit Basisdemokratie hat man es ja nicht so in dieser unserer Republik, selbst wenn sie nur ein Feigenblättchen für die SPD-Parteispitze darstellt. Immerhin wollen Garbriel, Nahles & Co. damit doch nur vergessen machen, dass sie trotz des zweitschlechtesten Wahlergebnisses in der Nachkriegsgeschichte keine Konsequenzen, personelle Änderungen oder gar eine strategische Neuausrichtung in Angriff genommen haben, sondern nur einen Kurs des “Weiter so” fahren. Und dass die Ministerposten erst nach dem Entscheid bekannt gegeben werden sollen, spricht doch wohl Bände…! Dieser Mitgliederentscheid in der SPD über den Koalitionsvertrag mag ein taktisches Spielchen und anrüchig sein, aber verfassungswidrig? Ich bitte Euch! 

Angst vor einem überraschendem Ergebnis muss man außerdem wirklich nicht haben. SPD-Mitglieder sind es gewohnt, ihre innersten Überzeugungen zähneknirschend hinten an zu stellen, wenn die Pflicht für die Partei es so fordert. Ich kenne das, ich war vor langer Zeit selber mal SPD-Mitglied… ;o)

 
  1. Schmarrn! []
 

Mann, bin ich froh…

… dass ich die SPD Anfang der 90er mit wehenden Fahnen verlassen habe1

Gut, ich hätte dem Verein dann spätestens mit Schröder und Hartz IV ein fröhliches “Tschüss” zugerufen, aber ich freue mich manchmal schon erheblich früher die politische Reißleine gezogen zu haben.

Auf jeden Fall kann ich mich im Moment so richtig gehässig darüber amüsieren, dass der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ganz heftig befürwortet aber die Totalüberwachung durch die USA ganz furchtbar böse findet. Wie heuchlerischer kann man als Politiker eigentlich noch werden….?

Da aber Herr Opermann vom hoffnungsvollen SPD-Bewerber um das Vizekanzleramt in seinem Schattenkabinett zum Innenminister ernannt wurde, stellt sich mir jetzt die Frage, ob ich mich ab September vielleicht darauf einstellen muss, von einem Politiker mit einer multiplen Persönlichkeit regiert zu werden?

Beruhigend, dass auch einige netzaffine SPDler verzweifelt mit den Zähnen knirschen2, wie beispielsweise hier oder hier… ;o)

 
  1. Der ausschlagegebende Grund war übrigens die Zustimmung der SPD hierzu []
  2. Da fällt mir doch siedend heiß ein, dass ich der SPD noch eine Rechnung über meinen Zahnersatz schicken wollte, da ich die Partei früher mehrmals nur mit heftig schädigendem Zähneknirschen wählen konnte… []