Killed by Death!

But that’s the way I like it baby, I don’t wanna live forever!

Motörhead

Es gibt Erinnerungen, die im Langzeitgedächtnis jahrelang unbemerkt ihr Dasein fristen. Wie eine alte Akte setzt sich zentimeterdick der Staub auf ihnen ab, sie vergilben langsam und geraten in Vergessenheit.

Und dann kommt auf einmal ein Moment, der alles ändert. Die beinahe vergessene Erinnerung wird mit aller Macht an die Oberfläche des Bewusstseins gespült, Staub und Gilb verschwinden und sie erlebt einen kurzen Moment in strahlendem Glanz.

So ging es mir heute mit der Hemmerleinhalle. Die berühmte Hemmerleinhalle in Neunkirchen am Brand. Ein hässliche Mehrzweckhalle in einem kleinen fränkischen Kaff, in der gut 10 Jahre lang viele berühmte Rockbands auftraten und sich darüber wunderten, in welche ländliche Ödnis es sie hier verschlagen hatte… Da auf vielen Konzert-Plakaten der Veranstaltungsort oft fälschlicherweise mit “Hemmerleinhalle Nürnberg” angegeben wurde, schienen viele der auftretenden Bands irritiert gewesen zu sein. Ian Dury soll, als er auf dem Parkplatz des angrenzten Hotels stand, nach seinem Konzert gesagt haben: “Und ich dachte, die hätten Nürnberg wieder aufgebaut?”

Obwohl von Örtlichkeit, Atmosphäre und Akustik her völlig ungeeignet – Frank Zappa 1980: „Das ist hier die hässlichste Halle, in der wir je gespielt haben, aber dafür seid ihr das beste Publikum – war die Hemmerleinhalle für Jugendliche meiner Generation einer der wichtigen Orte, an dem sie viele Rockidole live erleben konnten. Zumindest bis 1988, danach war leider Schluss. Manfred Mans Earth Band traten 1977 als erste Band dort auf, Zappa und AC/DC waren da und Metallica gaben in der Hemmerleinhalle ihr allererstes Deutschlandkonzert. Die Halle ist immerhin so bekannt, dass Sie sogar einen ganz kurzen Eintrag in der englischen Wikipedia hat

Und ich habe dort unter anderem einen genialen Mike Oldfield auf seiner Platinum Tour und 1981 Motörhead während der Iron-Fist-Tour erleben dürfen.

Uns aus diesem Grund wurden heute früh meine verstaubten Erinnerungen an die Hemmerleinhalle schlagartig nach oben gespült! Als ich lesen musste, dass Lemmy Kilmister gestern, 4 Tage nach seinem 70. Geburtstag, an einer erst am Samstag mitgeteilten Krebserkrankung verstorben ist.1

Und das erste was mir schlagartig einfiel: Dieses “hammergeile” Motörhead-Konzert in der Hemmerleinhalle. Ich war damals kein großer Fan von Motörhead, ich wollte mir die Band und den Typen, der einmal bei Hawkwind den Bass gezupft hatte, einfach mal ansehen. (Wer Hawkwind musikalisch nicht kennt, sollte das unbedingt nachholen. Achtung! Website im grauenerregenden 90er Jahre Design – ich übernehme keine Haftung!) Als ich die Hemmerleinhalle nach ein paar Stunden wieder verlassen haben, war das dann ganz anders. Selbst als ich Anfang der 90er langsam zum Jazzfan mutierte, ist Motörhead eine der wenigen Heavy-Metal-Bands geblieben, die ich bis heute noch ab und zu in den CD- bzw. MP3-Player stecke. Ich hatte heute früh das Konzert dann sofort vor Augen und in den Ohren, als wäre es erst gestern gewesen.

Und eine oder zwei Tränen in den Augen, denn: Mit Lemmy Kilmister ist ein Künstler, ein Urgestein und eine Legende des harten Rocks gegangen. Dass er bei seinem  Lebenswandel dann auch noch 70 Jahre alt wurde, ist  ebenfalls eine Leistung, die gewürdigt gehört!

Ich hoffe, da wo er jetzt ist, gibt es immer ausreichend Jack Daniels und Cola. Und einen Mikrofonständer. Und einen Bass. Und eine Hemmerleinhalle!

Rock on Lemmy!

 

 
  1. Mein erster Gedanke: “Typisch, Lemmy hatte einfach keinen Bock darauf, das auch noch durch zu machen.” []
 

Auf eine letzte Zigarette…

Helmut Schmidt, 1918-2015
Ich halte einige “gesetzliche Auswüchse des Deutschen Herbst” bis heute für extrem undemokratisch und teilweise sogar für verfassungsfeindlich.

Ich war entschiedener Gegner des Nato Doppelbschlusses.

Als Jugendlicher und Linker blieb mir Helmut Schmidt immer etwas fremd.

Aber ich hatte trotzdem Achtung vor Helmut Schmidt und ich mochte seinen Humor.

Ich habe geweint, als er am 1. Oktober 1982 durch Helmut Kohl im konstruktiven Misstrauensvotum abgewählt wurde. Ich empfand das als extrem unfair und ungerecht und wenn ich gewusst hätte, dass die auf Helmut Schmidt folgende “Ära” so lange dauern und so bleiern, konservativ und neoliberal werden würde, ich hätte noch viel heftiger geheult!

Er hat uns glücklicherweise weiterhin mit Wort und Rat begleitet. Durch seinen umfangreichen Sachverstand und seine intellektuelle Präzision blieb er bis zu seinem Tod eine der wichtigsten Stimmen Deutschlands und Europas.

Im Laufe der Jahre ist er mir sehr vertraut geworden.

Ich vermisse ihn jetzt schon.

 

Er diente mir auch immer als Ausrede nicht mit dem Rauchen aufhören zu müssen (“Helmut Schmidt raucht auch wie ein Schlot und ist über 80 bzw. über 90 geworden….“). Dass ich seit dem 8.11. keine Zigarette mehr geraucht habe, weil ich soeben beschlossen habe, endlich nicht mehr rauchen zu wollen, verleiht seinem Tod zwei Tage später schon fast etwas mystisches….

 

Adieu Harry!

 

harry_rowohlt

 


Ich mochte dein Schausaufen mit Betonung
und ich mochte deine Betonung ohne Schausaufen.


 

Harry Rowohlt war und ist für mich einer der ganz Großen! Als mir meine Mutter Mitte der 90er Jahre Puh der Bär in der Übersetzung von Harry Rowohlt schenkte, begann ich alles zu konsumieren, was er übersetzt, geschrieben oder gesprochen hatte. Und ich habe es nie bereut! Und dass er sich zeitlebens als “linker Traditionszausel” sah, macht ihn mir gleich noch sympathischer.

Wir haben wieder einen Wertvollen verloren. Mach’s gut, Paganini der Abschweifungen!

 

Wochenstart mit Jazz

Wochenstart mit Jazz

Irgendwie ist das anscheinend ein Jahr, in dem uns viele lang vertraute “Künstler” und “Genies” verlassen müssen. Wer auch immer den Himmel da oben regiert, ich hätte da eine Anmerkung: Es ist langsam gut jetzt!

Nachdem der Tod von James Last letzte Woche medial natürlich die vorherrschende Stellung einnahm – und das in diesem unserem Lande sicher zu Recht – ist der Tod einer anderen musikalischen Größe beinahe kaum wahrgenommen worden.

Ornette Coleman hat uns am 11.06. ebenfalls verlassen. Er wurde 85 Jahre alt.

Ornette Coleman galt als einer der Wegbereiter und dann als Altmeister des Free Jazz. Da er Saxophon spielte, habe ich schon recht früh begonnen, mich mit ihm zu beschäftigen. Allerdings ist der Free Jazz eine Stilrichtung, die ich mir erst ein bisschen erarbeiten musste. Aber zum Glück wurde mir einmal Colemans „The Shape of Jazz to Come“ von 1959 als Hinführung zum Free Jazz empfohlen und seitdem ist dieses Album einer der kleinen Lieblinge in meiner Jazzsammlung. Und deswegen gibt es in diesem Wochenstart seinen Klassiker “Lonely Woman” eben genau von diesem Album!

 

 

Wo immer Ornette Coleman jetzt auch ist, ich hoffe, er kann/darf dort Saxophon spielen!