Ohrenschmaus mit Patina: The Last Waltz

The last Walz

The Last Waltz von The Band gehört zu meinen Forever-Top-Ten-Favoriten und zwar unter die ersten fünf Plätze – Aus vielerlei Gründen:

ERSTENS: Es ist mit eines der besten Live-Alben, die je auf Vinyl gepresst wurden.

ZWEITENS: Man hört das Abschiedskonzert einer genialen Band mit einem genialen Bandnamen, die in ihrer Glanzzeit immer wieder auch den “Meister” als Begleitcombo live und im Studio begleiten durften.

DRITTENS: Ich habe das Album 1978 von meiner Mutter zu Weihnachten geschenkt bekommen. Und obwohl meine Mutter meinen Musikgeschmack so gar nicht geteilt hat1, hat sie immer ein absolut sicheres Gespür dafür gehabt, was mir gefallen könnte. Alles an Musik, das sie mir jemals geschenkt hat, hat mir auch gut gefallen, mich aber meistens sogar begeistert. Musik verschenken, das konnte Mama richtig gut!

VIERTENS: The Last Waltz hat mein Interesse für Neil Young geweckt.

FÜNFTENS: The Last Watlz hat meine Aufmerksamkeit auf Muddy Waters und damit auch auf den Blues gelenkt:

“That mean mannish boy!
I’m a man! I’m a full grown man!
Man!
I’m a natural born lovers man!
Man!
I’m a rollin’ stone!
Man-child!
I’m a hoochie coochie man!”

Das sind Textzeilen, die einen 15-jährigen so richtig begeistern können! :o)

SECHSTENS: Es gibt einen Film zum Album (oder von mir aus auch umgekehrt). Den Film hat Martin Scorsese gemacht. Der Film gilt als einer der besten Konzertfilme ever! Und das ist er auch!

SIEBTENS: Es ist ein Livealbum, das die Atmosphäre des Auftritts richtig gut rüber bringt. Obwohl es teilweise etwas zusammen geschnitten ist und in keinster Weise die Setlist des Konzerts darstellt. Trotzdem vermittelt das Album den Spaß, den alle Beteiligten gehabt haben müssen, recht überzeugend.

 

The Last Waltz – Fakten! Fakten! Fakten!

Cover The Last WaltzThe Last Waltz war sowohl der Titel des 1976 an Thanksgiving stattgefundenen Abschiedskonzerts der kanadischen Band “The Band”, als auch des gleichnamigen Films und des 1978 erschienenen Live-Albums. Die Gruppe formierte sich Mitte der 60er aus der Begleitband The Hawks von Ronnie Hawkins, wurde dann von Bob Dylan entdeckt, der sie zu seiner Live-Begleitband machte, als er den Folk aufgab und sich dem Rock zu wandte. Sie gelten aber auch durch ihr eigenes Werk als eine der einflussreichsten Combos der Rockgeschichte. Nach 16 Jahre beschlossen die Herren – von vielen Tourneen müde geworden und vor allem auf Wunsch von Gitarrist und Songschreiber Robbie Robertson – ihre Karriere zu beenden und mit einem epochalen Abschiedskonzert zu krönen: “The hardest thing in rock’n’roll are knowing when to quit and how to do it with class.”

Ergebnis: “The Last Waltz”. Ein Thanksgiving Dinner in San Francisco für 5.000 Gäste und anschließend ein knapp 5 Stunden dauerndes Konzert mit vielen Gastmusikern. Wer es ausführlicher bzw. genauer haben möchte, der möge sich bitte bei Wikipedia oder in den Weiten des Netzes informieren.

Wenn man sich allerdings das Album anhört und den Film ansieht, fällt es angesichts der Spielfreude der Band schwer zu glauben, dass die Gruppe nicht mehr weiter machen wollte2. Aber immerhin hat “The Band” auch das großartigste Lied über Lampenfieber geschrieben. Dieser Song resultiert aus den Erfahrungen ihrer ersten Tournee mit Bob Dylan, als dieser (und mit ihm die Band) wegen seiner Abkehr vom Folk von Teilen des Publikums beschimpft und ausgebuht wurde.

 

https://youtu.be/ZIfKkV77lqM

 

Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen!

Credits: The Last Waltz

Erscheinungsjahr: 1978
Besetzung:
Gitarre, Klavier, Gesang: Robbie Robertson
E-Bass, Fidel, Gesang: Rick Danko
Schlagzeug, Mandoline, Gesang: Levon Helm
Klavier, Schlagzeug, Orgel, Clavinet, Keyboard, Dobro, Gesang: Richard Manuel
Orgel, Akkordeon, Synthesizer, Bläser: Garth Hudson
Plus: Ein ganze Menge Gäste, unter anderem Neil Young, Eric Clapton, Joni Mitchell, Muddy Waters, Van Morrison, Paul Buterfield, Ringo Starr und natürlich auch Bob Dylan.

 

 

 
  1. und meine Sammelwut von Musik auf Vinyl, Silberscheiben und Downloads sicher nie so richtig verstehen wird []
  2. Es gab eine Wiedervereinigung in den 80ern, allerdings ohne Songschreiber und Gitarrist Robbie Robbertson. Durch dessen Fehlen und den frühen Selbstmord des depressiven Keyborders Richard Manuel 1986 fiel der zweite Versuch leider nicht sehr erfolgreich aus. []
 

Ohrenschmaus mit Patina: Lodger von David Bowie

Ohrenschmaus mit Patina: Lodger von David Bowie

BowieNach zwei Jazzalben jetzt mal wieder etwas aus der Welt der betagten Rockmusik.

Ich bin schon seit vielen Jahren ein Bewunderer und Verehrer der Kunst von David Bowie, man könnte mich auch durchaus als Hardcore-Fan bezeichnen. Ich besitze einen umfangreichen Teil des Oeuvre dieses musikalischen Chamäleons. Einiges sogar in doppelter Ausführung, einmal auf Vinyl und einmal als Silberling.

Meine Liebesbeziehung zu Bowies Musik begann Ende der 70er und ursächlich dafür war ein bestimmtes Album, das bis heute mein geheimer Liebling ist. Es ist nicht das Album, das ich jetzt am meisten hören würde, aber mit ihm ist es wie mit dem ersten Kuss: Auch wenn das Mädchen meist irgendwann nicht mehr aktuell ist, vergisst man den Moment des ersten Kusses doch nie. Genauso geht es mir mit diesem Album:

Lodger von David Bowie

Lodger

Cyprus is my island
When the going’s rough
I would love to find you
Somewhere in a place like that

Lodger ist der dritte Teil von Bowie’s sogenannter Berlin-Trilogie. Wie bei Low und Heroes war Brian Eno maßgeblich an der Entstehung beteiligt, allerdings wurde Lodger nicht mehr in den Hansa Studios in Berlin aufgenommen, sondern  in Montreux und New York.

Es ist das erste Album, das ich von David Bowie hören durfte. Der folgenreiche Moment ergab sich an einem warmen Sommertag, irgendwann im Jahr 1979. Ich besuchte einen guten Freund und im Laufe des Nachmittages legte dieser dann Lodger auf den Plattenteller. Eigentlich wollte ich lieber Genesis Second Out hören und wir hatten eine kurze Diskussion, in welcher sich der Hausherr dann durchsetzte – wie arm wäre mein weiteres musikalisches Leben verlaufen, hätte er auf mich gehört.

Die ersten beiden Songs des Albums fand ich nicht schlecht, aber auch nicht so umwerfend wie mein Freund angekündigt hatte. Bei Song Nr. 3 – Move On – traf es mich dann aber wie ein Blitz. Die Musik! Der Text! Bowies Gesang! Und dann “D.J.“, “Repetition” und vor allem “Look back in Anger“. Was für Lieder! Ich beschwatzte meinen Freund, mir das Teil leihweise für zwei Tage zu überlassen, raste nach Hause und kopierte das Album auf Kassette.1 Das Band habe ich dann monatelang in allen Playern, die mir zur Verfügung standen, abgespielt, bis es völlig abgenudelt war. Außerdem habe ich mindestens zwei Jahre lang mein knapp bemessenes Taschengeld fast ausschließlich in den Aufbau einer umfangreichen Bowie-Sammlung investiert.

Obwohl sich auf Lodger viele  Elemente befinden, die stark auf seine weitere musikalische Entwicklung in den 80ern hindeuten, ist es eigentlich kein typisches Bowie-Album. Es ist weder eine kontinuierliche Fortsetzung der Berlin-Trilogie, noch folgte danach etwas, das sich mit Lodger groß vergleichen ließe. Es ist somit  als Einstieg in Bowies Schaffen nicht sonderlich gut geeignet . Ich finde es dann aber doch interessant, dass es Lodger war, welches mich zum Bowie-Fan machte2. Ich muss nämlich gestehen, dass mir auf Anhieb auch nur 50% von Lodger gefallen hat und ich mir den Zugang zum Rest der Songs erst habe erarbeiten müssen. Aber so geht es mir meistens mit besonderen Aufnahmen, egal von welchem Musiker. Viele “Lieblingsscheiben” in meiner Musiktruhe wurden es erst nach mehrmaligen Anhören oder sogar anfänglichem “WTF”? Zumindest die Hälfte von Lodger gehört in diese Kategorie.

Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen!

Credits: Lodger von David Bowie ((Amazon-Partnerlink))

Erscheinungsjahr: 1979
Besetzung:
David Bowie: Gesang, Backing Vocals, Piano, Gitarre, Synthesizer, Chamberlin
Carlos Alomar: Gitarre, Schlagzeug
Dennis Davis: Percussion, Bass
George Murray: Bass
Sean Mayes: Piano
Simon House: Violine, Mandoline
Adrian Belew: Gitarre, Mandoline
Brian Eno. Synthesizer, Ambient-Drone, Prepared Piano, Cricket Menace, Gitarre Treatments, Trompete, Horn, Piano
Roger Powell: Synthesizer
Tony Visconti: Backing vocals, Gitarre, Mandoline, Bass, Produzent, Toningenieur, Abmischung

 
  1. Ja liebe Musikindustrie, auch damals haben wir schon wie die Gestörten kopiert. Und Ihr seid trotzdem nicht untergegangen. Trotz lautstarkem Gejammers, Ihr erinnert Euch noch? “Home Taping Is Killing Music” Was für ein Käse! []
  2. Ich gestehe an dieser Stelle eine Jugendsünde: Bowie ist auch der einzige Musiker, den ich je versucht habe, optisch zu kopieren. Ich habe phasenweise wirklich versucht, einen auf “Thin White Duke” zu machen. Ist mir aber nicht sonderlich gut gelungen! []
 

Ohrenschmaus mit Patina: A Tribute To Jack Johnson

Schellack-Jazz

Miles Davis is one who writes songs when he plays. (Gerry Mulligan)

Nachdem ich hier letztens das Loblied auf John Coltrane gesungen habe, darf ich jetzt einen anderen Genius das Jazz nicht vernachlässigen – natürlich den großen Miles Davis!

Selbstverständlich finden sich diverse Meilensteine des großen Innovators in meiner Musiktruhe, Birth Of The Cool, Milestones, Kind Of Blue, In A Silent Way und natürlich das epochale Bitches Brew. Allerdings ist mein persönliches Lieblingsalbum von Miles Davis eine seiner, zumindest kommerziell, weniger erfolgreichen Aufnahmen:

A Tribute To Jack Johnson

A Tribute To Jack Johnson


I’m Jack Johnson, Heavy Weight Champion of the World. I’m black and never let me forget it. I’m black, alright! And never let them forget it!

A Tribute To Jack Johnsen ist Miles Davis Folgealbum zu Bitches Brew, jenem berühmten Werk das als Initialzündung des Jazzrock, genauer gesagt des “Fusion-Jazz” gilt.

War in den 50er Jahren der Jazz noch die Musik einer intellektuellen “Protest-Jugend”, so hatte sich das Anfang der 60er Jahre geändert. Rock and Roll, Folk, Beat und die Rockmusik der späten 6oer hatten den Jazz aus den Hitparaden und auch aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängt. Die aufbegehrende Jugend hörte lieber Dylan, Beatles, Stones, Doors und Co.. Aus diesem Grund suchte Miles Davis ab Mitte der 60er Jahre nach neuen Formen, um den Jazz auch für die Hörer von Beat und Rock wieder attraktiv zu machen. Davis strukturierte das Miles Davis Quintett mehrmals um und experimentierte mit den elektrisch verstärkten Instrumenten des Rock. Er holte sich Musiker wie den österreichischen Keyboarder George Zawinul, den späteren Mitgründer von Weather Report, und John Mac Laughlin, den wohl bis heute wegweisendsten Gitarristen des Fusion-Jazz in die Band. Das Ergebnis dieses Prozesses erschien 1969: In A Silent Way. Dieses Album ist nicht nur Miles Davis kompletter Bruch mit den damals aktuellen Jazz-Konzepten, sondern gilt auch als eines der ersten Fusion-Alben. Davis verschmolz gekonnt den Jazz und Rock zu etwas völlig Neuem. Das besondere an diesem neuen Stil war nicht nur das ungewohnte Instrumentarium, sondern auch die große (Improvisations-) Freiheit, die den einzelnen Musikern bei den Aufnahmen zugestanden wurden.

Meilenstein des modernen Jazz

1970 veröffentlichte Miles Davis dann jenes Album, welches als Initialzündung für den Fusion Jazz/Jazzrock gilt und in seiner an Meilensteinen nicht armen Discographie eine besondere Stellung einnimmt: Das Doppelalbum Bitches Brew. Laut eigenen Angaben wurde Davis zu diesem Album durch das Woodstock Festival beeinflusst. Noch mehr als beim Vorgängeralbum steht bei Bitches Brew die freie Improvisation der mitspielenden Musiker und die Verwendung elektrisch verstärkter Instrumente im Vordergrund. Neu für den Jazz ist auch die intensive Nachbearbeitung der Aufnahmen im Tonstudio – Miles Davis nutzt die Möglichkeiten der modernen Tontechnik jetzt  genauso kreativ wie musikalische Techniken. Auch heute noch wirkt die Platte lebendig, mitreißend und modern. Es ist bis zu diesem Zeitpunkt auch seine kommerziell erfolgreichste Aufnahme und brachte ihm seine erste goldene Schalplatte und ersten Grammy ein. Wer mehr über das “Schlampen-Gebräu” erfahren möchte, das Album hat einen ausgiebigen Wikipedia-Eintrag.

A Tribute to Jack Johnson

Ich höre In A Silent Way und Bitches Brew in regelmäßigen Abständen1, aber meine Lieblingsaufnahme aus dieser Schaffensperiode ist A Tribute to Jack Johnson. Es handelt sich hierbei nicht um ein  reguläres Studioalbum, sondern um die Filmmusik zu einem Dokumentarfilm über den schwarzen Boxer Jack Johnson, von 1908 bis 1915 der erste farbige Weltmeister im Schwergewicht.

Das Album besteht aus den zwei Songs “Right Off” und “Yesternow”, die jeweils eine Seite der Vinyl-Aufnahme bilden. Weitaus mehr als bei den beiden Vorgängern wurde Studiotechnik eingesetzt, beide Songs sind aus unterschiedlichen Mitschnitten und Aufnahmen zusammen gesetzt. Kleine Besonderheit: Ein Teil von “Yesternow” ist um eine leicht geänderte Basslinie des James Brown-Songs “Say It Loud – I’m Black and I’m Proud” herum aufgebaut. Eine sicherlich von Miles Davis beabsichtigte Anspielung auf die “Black-Power” Thematik des Films. Darüber hinaus bezeichnete Miles Davis James Brown (neben Sly Stone) als einen seiner wichtigsten musikalischen Einflüsse in dieser Zeit.

A Tribute To Jack Johnson war kommerziell weniger erfolgreich als sein Vorgänger, gilt unter Kritikern aber als die künstlerisch wertvollere Aufnahme. Einer Meinung, der ich mich uneingeschränkt anschließe. Bitches Brew hatte das Glück die erste Veröffentlichung seiner Art zu sein und einen grundlegenden, bis heute wirkenden Stilwechsel im Jazz auszulösen. A Tribute To Jack Johnson dagegen ist das Album in dem Miles Davis über die reine Experimentierphase schon hinaus ist. Die elektrischen Instrumente werden ganz selbstverständlich eingesetzt, die neuen Improvisationstechniken und die Auflösung der Trennung von “Frontline” und “Rhythmusgruppe” sind den Musikern vertraut. Meiner Meinung nach herrscht bei diesem Album die Freude am Spiel und den neuen Techniken vor und macht das Album eingängiger und “durchhörbarer”. Wer nicht mit dem Fusion Jazz der 70er Jahre vertraut ist und sich einhören möchte, dem empfehle ich deshalb A Tribute To Jack Jonsohn als Einstieg.

Und wenn am Schluss von Yesternow ein Zitat des Schauspielers Brock Peters2 erklingt, bekomme ich manchmal immer noch eine kleine Gänsehaut:

“I’m Jack Johnson, Heavy Weight Champion of the World. I’m black and never let me forget it. I’m black, alright! And never let them forget it!”

Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen!

Credits: A Tribute to Jack Johnson3

Erscheinungsjahr: 1970
Besetzung:
Miles Davis: Trumpet
Steve Grossmann: Soprano Saxophone
Herbie Hancock: Organ
John McLaughlin: Guitar
Michael Henderson: Electric Bass
Billy Cobham: Drums

 
  1. und mit Genuss! []
  2. der Jack Johnson im Film verkörpert []
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Ohrenschmaus mit Patina: A Love Supreme

Schellack-JazzAlles was ein Mann braucht, ist eine Zigarette und ein Solo von John Coltrane!1

Ich bin Jazzfan2 und es gibt ein ganz bestimmtes Album, welches sehr ursächlich für meine Jazz-Begeisterung ist. Das epochale A Love Supreme von John Coltrane. Diese Scheibe hat mich zum Jazz geführt und ich höre sie mit kontinuierlicher Regelmäßigkeit und mit immer noch wachsender Begeisterung. Dass ich daneben auch alles andere von und mit John Coltrane mit Lust und Liebe höre, sei hier nur am Rande erwähnt. Für mich persönlich ist das Saxophon das zentrale Jazzinstrument schlechthin (Sorry Miles!) und nicht viele konnten es so virtuos einsetzen wie John Coltrane. Deswegen möchte ich allen Jazzinteressierten, die A Love Supreme noch nicht kennen, dieses Meisterwerk ans Herz legen!

John Coltrane: A Love Supreme

A Love Supreme


“All praise be to God
to whom all praise is due”

John Coltrane war wohl einer der innovativsten Jazzmusiker seiner Zeit. Als Bestandteil des Miles Davis Quintet von 1955-1956 und 1958-1960 wirkte er an zwei besonderen Aufnahmen von Miles Davis mit: Milestones und Kind of Blue. Vor allem Kind Of Blue wäre ohne “Trane” nicht dieses bahnbrechende Album geworden (das ist meine sehr persönliche Meinung). In den 60er Jahren gründete er das John Coltrane Quartet, das neben dem Miles Davis Quintett zu einer der einflussreichsten Formationen seiner Zeit werden sollte. Ab Mitte der 60er Jahre wandte sich John Coltrane dem Free Jazz zu und hat diesen maßgeblich mit definiert. John Coltrane starb 1967 mit noch nicht mal 41 Jahren an Leberkrebs – viel zu früh, er hätte sicher noch sehr viel zur weiteren Entwicklung des Jazz beizutragen gehabt. Wer sich ausführlicher informieren will, klickt hier (englisch).

A Love Supreme ist John Coltranes Loblied auf Gott. Es ist der Versuch, Gott zu danken, dass er ihn aus seiner Heroinsucht herausgeführt hat. Die Bewältigung von Persönlichkeitskrisen durch Religiosität scheint ja unter Musikern weit verbreitet zu sein….

Das Album ist eine Suite aus vier Teilen:  Acknowledgement (Anerkennung), Resolution (Entschluss), Pursuance (Streben),  Psalm (Psalm).  Am bekanntesten ist sicher das Acknowledgement wegen seiner letzten 3 Minuten, in denen Coltrane mit seinem Saxophon das musikalische Leitmotiv immer wieder in unterschiedlichen Tonarten wiederholt, um dann in eine Art hypnotischen Sprechgesang überzugehen, der nur die Worte “A Love Supreme” wiederholt. Auch ich bin zuerst über diese Stelle auf das Album aufmerksam geworden.

A Love Supreme ist stilistisch schwer einzuordnen.  Es befindet sich schon sehr nahe am Free Jazz, aber durch das enge und durchstrukturierte Korsett, in dem sich die vier Musiker bewegen, kann man es eigentlich noch nicht dem Free Jazz der 60er zuordnen. Es gilt als Album des sogenannten Modal Jazz, einer Übergangsphase vom Cool Jazz und Hardbop der 50er Jahre zum Free Jazz. Die Anerkennung des Modalen Jazz als eigene Stilrichtung ist unter Experten allerdings sehr umstritten.

A Love Supreme ist aber auf jeden Fall ein intensiver Ausdruck von Coltranes Suche nach neuen Ausdrucksformen im Jazz, die ihn auch veranlasst hatte, 1960 das Miles Davis Quintett zu verlassen. A Love Supreme ist nach My Favourite Things die nächste wichtige Stufe von Coltranes Entwicklung, die dann zum wegweisenden Free Jazz Album Ascension führt. Es ist auf jeden Fall ein Meilenstein in der Entwicklung des modernen Jazz! Und der Jazz klingt auch noch toll!

Meine Bewertung: 6 von 5 Sternen!

Credits A Love Supreme/John Coltrane3

Erscheinungsjahr: 1964
Besetzung:
John Coltrane, Tenorsaxophon
McCoy Tyner, Klavier
Jimmy Garrison, Bass
Elvin Jones, Schlagzeug

Nachtrag: Wem Jazz aus den 60ern vielleicht etwas zu “klassisch” oder “freejazzig” ist: Es gibt auch eine sehr gelungenen Coverversion des Acknoledgement von Carlos Santana und John MacLaughlin auf ihrem Album Love Devotion Surrender von 1972. Die ist etwas mehr “Fusion”.

Update: Das ganze Album gibts auch auf Youtube

 
  1. Soll ein Zitat aus einem Film von Jean-Luc Godard sein. Ich konnte bis jetzt leider nicht herausfinden, aus welchem. []
  2. Ach was? []
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Hörtipps mit Patina: The War Of The Worlds

Vinyl The War of The WorldsWie in diesem Notizbuch bereits mehrmals erwähnt, bin ich musikalisch in den späten 70ern geprägt worden. Das erkennt man vor allem daran, dass  das Erst-Erscheinungsdatum gut der Hälfte der Tonträger in meiner mittlerweile recht umfangreichen Musiksammlung irgendwann zwischen 1965 und 1979 angesiedelt ist… Dabei ist es auch ziemlich egal, um welche Stilrichtung es sich handelt, ich verfahre musikalisch nach dem Motto “Alt ist (meistens) besser!”. Ich bin also nicht unbedingt einer Meinung mit Barney Stinson. Man sieht, ich mag meine Mukke also gerne etwas abgehangen.

Ab und an wühle ich musikalische Kostbarkeiten aus meinem Fundus, die ich selber schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe. Der Vorteil, den diese verschüttet geglaubte “Perlen” mit sich bringen: Ich fühle mich beim Wiederanhören fast immer emotional in die Zeit versetzt, in welcher ich das Album das erste Mal gehört habe. Ich mache damit sozusagen eine kleine musikalische Zeitreise in meine jüngeren Tage.

Vor ein paar Tagen ist mir das wieder einmal passiert. Ich bin zufälligerweise bei Youtube über ein paar Clips aus den Liveaufführungen von “The War of the Worlds”1 gestolpert und hab mir dabei gedacht: “Ach, das könntest du dir doch auch mal wieder anhören.” Gedacht! Getan! CD heraus gekramt, schnell digitalisiert (wieso liegt das eigentlich noch nicht in iTunes?) und seitdem läuft das Teil in “heavy rotation” auf allen meinen Playern.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass mein Musikgeschmack ein recht anachronistischer ist, aber das ist bei “alten Säcken” halt so! Und es wird mit Sicherheit auch bei den meisten “alten Säcken” der Zukunft so sein. Mir kam vielleicht gerade deshalb die zündende Idee, in diesem meinem Blog Alben aus meiner Sammlung vorzustellen, welche

(1) schon ein bisschen Patina angesetzt und mich
(2) begeistert, bewegt oder sonstwie berührt haben.

In loser Reihenfolge natürlich, je nachdem, wie sie in meinen Wiedergabelisten auftauchen. Immerhin soll es in diesem Blog auch schwerpunktmäßig um Musik gehen und nicht nur um Vorratsdatenspeicherungen oder blöde Politiker. Weil das oben genannte Meisterwerk der Auslöser dafür war, fange ich auch damit an:

Jeff Wayne’s Musical Version of  The War Of The Worlds

The War of The Worlds


… and yet, across the gulf of space, minds, immeasurable superior to us, regarded the earth with envies eyes and slowly and surely they drew their plans against us.
(Richard Burton in “The War of  the Worlds”)

Auch wenn im Titel von einem Musical die Rede ist, würde ich das Ganze eher “Konzeptalbum” nennen. Es wird natürlich viel gesungen, aber nicht in der dialogorientierten Form des für Musical typischen Musiktheaters. Darüber hinaus sind auch längere Instrumentalpassagen enthalten, die den Kampf der Menschen gegen die Marsianer darstellen. Die Handlung basiert auf H.G. Wells berühmten Roman “Der Krieg der Welten” und ist schnell erzählt: Marsianer greifen die Erde an, metzeln alles nieder und haben fast die Menschheit vernichtet, als sie letztendlich von den unscheinbarsten, kleinsten Lebewesen der Erde besiegt werden – Bakterien.

Der Handlungsablauf wird von Richard Burton als Erzähler in der Figur des Journalisten George Herbert präsentiert. Seine Figur verbindet die einzelnen Songs miteinander und treibt die Handlung voran. Der Erzähler ist als Sprechrolle angelegt, Richard Burton muss also nicht singen. Die Songs wiederum stellen Höhepunkte der Handlung dar.

Jeff Wayne ist es gelungen, damals durchaus prominente Musiker und Sänger als Mitstreiter zu gewinnen. Unter anderem Justin Hayward (Moody Blues),  Phil Lynott (Bassist und Leadsäger von Thin Lizzy) oder Julie Covington, welche auch die Titelrolle im Musical Evita von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice sang.2. Liebhabern von “70er Jahre Rock” wird vor allem Chris Thompson als “The Voice of Humanity” etwas sagen, schließlich war er die Stimme der Manfred Man’s Earth Band, als diese ihre größten Hits hatten

Musikalisch kann man  The War Of  The Worlds am ehesten dem in den 70er Jahren sehr populären “Progressive Rock” zuordnen Demzufolge finden sich viele Elemente der Klassik darin, teilweise klingen die Songs wie mit einem Orchester aufgenommen. Erschienen ist The War Of The Worlds damals als Doppelalbum, deshalb ist die Handlung in zwei Teile (für jede Langspielplatte ein Teil) gegliedert: “The Coming of the Martians” und “The Earth Under the Martians”.

Fast zeitgleich mit der Originaversion kamen 1987 auch zwei spanische Aufnahmen, eine davon mit Anthony Quinn als The Journalist, auf den Markt. 1980 folgte auch eine deutsche Version, in welcher Curd Jürgens die Rolle des Sprechers übernahm. Allerdings wurden in den nichtenglischen Aufnahmen nur die gesprochenen Teile übersetzt, die Songs blieben im englischen Original.

Bis das Werk auf die Bühne kam, sollte es allerdings noch lange dauern. Erst 2006 wurde es zum ersten Mal live aufgeführt. 2012 veröffentlichte Jeff Wayne eine neue Aufnahme als “Jeff Wayne’s Musical Version Of The War of The Worlds – New Generation”, welche komplett überarbeitet und musikalisch modernisiert wurde. Mit dieser Aufnahme läuft auch gerade eine aktuelle Tour. Darin übernahm Liam Neeson die Rolle des Sprechers. Ich muss allerdings gestehen, dass mir die Originalversion erheblich besser gefällt. Die “New Generation” klingt mir etwas zu glatt und zu perfekt.

Meine persönliche Bewertung:  4 von 5 Sternen!

Credits: The War of the Worlds (30th Anniversary Edition)3

Produktion: Jeff Wayne
Erscheinungsdatum: 1978
Mitwirkende:

  • Richard Burton (George Herbert, the Journalist)
  • David Essex (The Artilleryman)
  • Phil Lynott (Parson Nathaniel)
  • Julie Covington (Beth)
  • Justin Hayward (The Sung Thoughts of The Journalist)
  • Chris Thompson (The Voice of Humanity)
  • Jerry Wayne (NASA Voice)
  • Paul Vigrass, Gary Osborne, Billy Lawrie (Hintergrundgesang)

Musiker:

  • Keyyboards: Ken Freeman, Jeff Wayne
  • Chris Spedding: Gitarre
  • Jo Partridge: Gitarre (The Heat Ray), Mandoline
  • George Fenton: Zantur, Zither, Tar
  • Herbie Flowers: Bass Guitar
  • Barry Morgan: Schlagzeug
  • Barry da Souza, Roy Jones, Ray Cooper: Perkussion

Hörproben zum Schluss
(die einzig vernünftigen Aufnahmen, die ich auf Youtube finden konnte. Das meiste ist leider gesperrt, weil “Verlagsrechte, blabblabla, Gema, blablabla”)

The Spirit of Man.

Und zum Vergleich dazu die deutsche Version der gleichen Stelle

 
  1. Leider meistens nur Trailer oder Handy-Konzertmitschnitte, die interessanten Clips sind… und nun ratet mal. Richtig! ;o) []
  2. Allerdings nur auf dem Studioalbum, nicht bei der Bühnenversion. Julie Covington konnte sich politisch nicht mit Evita Perón anfreunden. []
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