Auf eine letzte Zigarette…

Helmut Schmidt, 1918-2015
Ich halte einige “gesetzliche Auswüchse des Deutschen Herbst” bis heute für extrem undemokratisch und teilweise sogar für verfassungsfeindlich.

Ich war entschiedener Gegner des Nato Doppelbschlusses.

Als Jugendlicher und Linker blieb mir Helmut Schmidt immer etwas fremd.

Aber ich hatte trotzdem Achtung vor Helmut Schmidt und ich mochte seinen Humor.

Ich habe geweint, als er am 1. Oktober 1982 durch Helmut Kohl im konstruktiven Misstrauensvotum abgewählt wurde. Ich empfand das als extrem unfair und ungerecht und wenn ich gewusst hätte, dass die auf Helmut Schmidt folgende “Ära” so lange dauern und so bleiern, konservativ und neoliberal werden würde, ich hätte noch viel heftiger geheult!

Er hat uns glücklicherweise weiterhin mit Wort und Rat begleitet. Durch seinen umfangreichen Sachverstand und seine intellektuelle Präzision blieb er bis zu seinem Tod eine der wichtigsten Stimmen Deutschlands und Europas.

Im Laufe der Jahre ist er mir sehr vertraut geworden.

Ich vermisse ihn jetzt schon.

 

Er diente mir auch immer als Ausrede nicht mit dem Rauchen aufhören zu müssen (“Helmut Schmidt raucht auch wie ein Schlot und ist über 80 bzw. über 90 geworden….“). Dass ich seit dem 8.11. keine Zigarette mehr geraucht habe, weil ich soeben beschlossen habe, endlich nicht mehr rauchen zu wollen, verleiht seinem Tod zwei Tage später schon fast etwas mystisches….

 

Merci Chérie!

Ich war nie ein Fan von Udo Jürgens. Es gab sogar Zeiten, da hätte ich mir eher die Zunge abgebissen, als zuzugeben, dass es Lieder von Udo Jürgens gibt, die mir gefallen. Das hätte in der Filterbubble meiner Jugend unverzüglich zu mächtig Spott und Häme geführt1.

Aber man wird älter und (hoffentlich) selbstbewusster und irgendwann gibt man es zu: Man ist zwar kein Fan, aber man mag einen Teil seiner Lieder dann doch irgendwie. Die großen Hits von ihm kann ich selbstverständlich alle mitsingen, obwohl ich keine einzige CD von Udo Jürgens im Regal stehen habe2. Kurz und gut: Ich habe mich zwar nie als Udo Jürgens Fan gesehen, aber sein Oeuvre war dann doch nicht sooooo schlecht/schmalzig/kitschig/typischdeutsch….

Als ich gestern auf Twitter die Nachricht von Udo Jürgens Tod lesen musste, war ich deswegen einen kurzen Moment lang ziemlich verblüfft, dass ich mich fühlte, als sei ich gegen eine Wand gelaufen,.

Mir wurde dann aber schnell klar, warum ich mich so fühle. Ich bin ein Baby Boomer und Udo Jürgens hat mich mein bisheriges Leben begleitet. Ich habe meine Kindheit mit “Mercie Cherie” verbracht, in meiner rebellischen Jugend “Ein ehrenwertes Haus” und “Ich war noch niemals in New York” einfach toll gefunden, fand “Aber bitte mit Sahne” lustig und habe an weinseligen Abenden zu später Stunde manchmal sogar “Griechischer Wein” mit gegröhlt.

Künstler wie Udo Jürgens sind eine Konstante im Leben. Man denkt selten bewusst an sie, aber sie sind doch immer vorhanden. Man hat sich an sie gewöhnt, selbst wenn man kein Fan ist oder die Musik gar nicht mag.

Und dann sind sie auf einmal weg. Und man fühlt sich, als sei man gegen eine Wand gelaufen. Und stellt überrascht fest: “Anscheinend war ich doch ein Fan!”

Vielleicht macht auch das einen großen Künstler aus. Und einer der größten Künstler der deutschen Nachkriegszeit ist gestern dann überraschend von uns gegangen.

Lieber Udo Jürgen Bockelmann, ich bin sicher, sie werden mir fehlen!

 

 
  1. Obwohl es damals mit Sicherheit jedem meiner Freunde ähnlich ging…. []
  2. nur einen Song als iTunes-Download auf der Festplatte, den ich für eine Geburtstags-CD für eine Freundin gebraucht habe []
 

“Kontinuitätsbruch” oder der Versuch eines Nachrufes

Dieter Hildebrandt, 23. Mai 1927 – 20. November 2013

Es gibt Künstler von denen meint man, dass Sie ewig leben werden bzw. ewig leben müssen. Dieter Hildebrandt war für mich so ein Künstler und er ist heute Morgen im Alter von 86 Jahren verstorben.

Ich will mich an dieser Stelle nicht über seinen Werdegang und die vielen Höhepunkte in seinem kabarettistischen Schaffen auslassen, das werden qualifiziertere Schreiber in den nächsten Tagen ausgiebigst erledigen. Ich möchte an dieser Stelle nur kurz das folgende sagen:

Ich bin in einem typischen linksliberalen Haushalt aufgewachsen, deswegen wurde ich bereits in meiner Jugend mit Dieter Hildebrandts scharfzüngigem Witz konfrontiert. Seine “Notizen aus der Provinz” waren in unserer Familie TV-Pflichtprogramm. Diese erste regelmäßige Satire-Sendung im deutschen Fernsehen war die einzige Fernsehsendung, für die meine Eltern in den 70ern den abendlichen Zapfenstreich während der Schulzeit nach hinten verschoben. Seitdem hat Dieter Hildebrandt bis heute meine Einstellung zum politischen und gesellschaftlichen Leben in dieser unserer Republik maßgeblich bereichert und sogar geprägt.

Dieter Hildebrandt hat mich als Kabarettist, Schauspieler und Buchautor fast mein ganzes Leben lang begleitet. Er war für mich deshalb bis zum heutigen Tag eine Konstante. Die Konstante ist jetzt nicht mehr vorhanden und dieses Ereignis empfinde ich als einen weiteren Bruch der Kontinuität meines Lebens. Es gab bisher nicht viele Menschen, deren Tod mir derart intensiv das Gefühl eines Kontinuitätsbruchs vermittelt hat, aber Dieter Hildebrandt gehört definitiv dazu. Deshalb bin ich heute sehr traurig!