Wochenstart mal ohne Jazz

Weil ich zur Zeit, wie man bei uns Dahamm so sacht, schwer Heggdig, Sträss und Gwerch hab’ und des im Momend a ned aufhör’n moch, mal keinen Jazz zum Wochenstart, sondern meinen Lieblingsliedermacher, den empfehlenswerten und hörenswerten Herrn Wolfgang Buck1

“Schiggdischiggdi”2

Und wenn ihr die Woche nett zu mir seid, gibt’s nächste Woche vielleicht “Des vom Schweinebrodn…”

 
  1. Allmächd! Etz hadder sogar scho an Wiggibedia-Eintroch! Etz isser berühmt! []
  2. Übersetzung für Nicht-Franken: “Beeil dich gefälligst!” oder auch “Mach schneller!” []
 

Ohrenschmaus mit Patina: A Tribute To Jack Johnson

Schellack-Jazz

Miles Davis is one who writes songs when he plays. (Gerry Mulligan)

Nachdem ich hier letztens das Loblied auf John Coltrane gesungen habe, darf ich jetzt einen anderen Genius das Jazz nicht vernachlässigen – natürlich den großen Miles Davis!

Selbstverständlich finden sich diverse Meilensteine des großen Innovators in meiner Musiktruhe, Birth Of The Cool, Milestones, Kind Of Blue, In A Silent Way und natürlich das epochale Bitches Brew. Allerdings ist mein persönliches Lieblingsalbum von Miles Davis eine seiner, zumindest kommerziell, weniger erfolgreichen Aufnahmen:

A Tribute To Jack Johnson

A Tribute To Jack Johnson


I’m Jack Johnson, Heavy Weight Champion of the World. I’m black and never let me forget it. I’m black, alright! And never let them forget it!

A Tribute To Jack Johnsen ist Miles Davis Folgealbum zu Bitches Brew, jenem berühmten Werk das als Initialzündung des Jazzrock, genauer gesagt des “Fusion-Jazz” gilt.

War in den 50er Jahren der Jazz noch die Musik einer intellektuellen “Protest-Jugend”, so hatte sich das Anfang der 60er Jahre geändert. Rock and Roll, Folk, Beat und die Rockmusik der späten 6oer hatten den Jazz aus den Hitparaden und auch aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängt. Die aufbegehrende Jugend hörte lieber Dylan, Beatles, Stones, Doors und Co.. Aus diesem Grund suchte Miles Davis ab Mitte der 60er Jahre nach neuen Formen, um den Jazz auch für die Hörer von Beat und Rock wieder attraktiv zu machen. Davis strukturierte das Miles Davis Quintett mehrmals um und experimentierte mit den elektrisch verstärkten Instrumenten des Rock. Er holte sich Musiker wie den österreichischen Keyboarder George Zawinul, den späteren Mitgründer von Weather Report, und John Mac Laughlin, den wohl bis heute wegweisendsten Gitarristen des Fusion-Jazz in die Band. Das Ergebnis dieses Prozesses erschien 1969: In A Silent Way. Dieses Album ist nicht nur Miles Davis kompletter Bruch mit den damals aktuellen Jazz-Konzepten, sondern gilt auch als eines der ersten Fusion-Alben. Davis verschmolz gekonnt den Jazz und Rock zu etwas völlig Neuem. Das besondere an diesem neuen Stil war nicht nur das ungewohnte Instrumentarium, sondern auch die große (Improvisations-) Freiheit, die den einzelnen Musikern bei den Aufnahmen zugestanden wurden.

Meilenstein des modernen Jazz

1970 veröffentlichte Miles Davis dann jenes Album, welches als Initialzündung für den Fusion Jazz/Jazzrock gilt und in seiner an Meilensteinen nicht armen Discographie eine besondere Stellung einnimmt: Das Doppelalbum Bitches Brew. Laut eigenen Angaben wurde Davis zu diesem Album durch das Woodstock Festival beeinflusst. Noch mehr als beim Vorgängeralbum steht bei Bitches Brew die freie Improvisation der mitspielenden Musiker und die Verwendung elektrisch verstärkter Instrumente im Vordergrund. Neu für den Jazz ist auch die intensive Nachbearbeitung der Aufnahmen im Tonstudio – Miles Davis nutzt die Möglichkeiten der modernen Tontechnik jetzt  genauso kreativ wie musikalische Techniken. Auch heute noch wirkt die Platte lebendig, mitreißend und modern. Es ist bis zu diesem Zeitpunkt auch seine kommerziell erfolgreichste Aufnahme und brachte ihm seine erste goldene Schalplatte und ersten Grammy ein. Wer mehr über das “Schlampen-Gebräu” erfahren möchte, das Album hat einen ausgiebigen Wikipedia-Eintrag.

A Tribute to Jack Johnson

Ich höre In A Silent Way und Bitches Brew in regelmäßigen Abständen1, aber meine Lieblingsaufnahme aus dieser Schaffensperiode ist A Tribute to Jack Johnson. Es handelt sich hierbei nicht um ein  reguläres Studioalbum, sondern um die Filmmusik zu einem Dokumentarfilm über den schwarzen Boxer Jack Johnson, von 1908 bis 1915 der erste farbige Weltmeister im Schwergewicht.

Das Album besteht aus den zwei Songs “Right Off” und “Yesternow”, die jeweils eine Seite der Vinyl-Aufnahme bilden. Weitaus mehr als bei den beiden Vorgängern wurde Studiotechnik eingesetzt, beide Songs sind aus unterschiedlichen Mitschnitten und Aufnahmen zusammen gesetzt. Kleine Besonderheit: Ein Teil von “Yesternow” ist um eine leicht geänderte Basslinie des James Brown-Songs “Say It Loud – I’m Black and I’m Proud” herum aufgebaut. Eine sicherlich von Miles Davis beabsichtigte Anspielung auf die “Black-Power” Thematik des Films. Darüber hinaus bezeichnete Miles Davis James Brown (neben Sly Stone) als einen seiner wichtigsten musikalischen Einflüsse in dieser Zeit.

A Tribute To Jack Johnson war kommerziell weniger erfolgreich als sein Vorgänger, gilt unter Kritikern aber als die künstlerisch wertvollere Aufnahme. Einer Meinung, der ich mich uneingeschränkt anschließe. Bitches Brew hatte das Glück die erste Veröffentlichung seiner Art zu sein und einen grundlegenden, bis heute wirkenden Stilwechsel im Jazz auszulösen. A Tribute To Jack Johnson dagegen ist das Album in dem Miles Davis über die reine Experimentierphase schon hinaus ist. Die elektrischen Instrumente werden ganz selbstverständlich eingesetzt, die neuen Improvisationstechniken und die Auflösung der Trennung von “Frontline” und “Rhythmusgruppe” sind den Musikern vertraut. Meiner Meinung nach herrscht bei diesem Album die Freude am Spiel und den neuen Techniken vor und macht das Album eingängiger und “durchhörbarer”. Wer nicht mit dem Fusion Jazz der 70er Jahre vertraut ist und sich einhören möchte, dem empfehle ich deshalb A Tribute To Jack Jonsohn als Einstieg.

Und wenn am Schluss von Yesternow ein Zitat des Schauspielers Brock Peters2 erklingt, bekomme ich manchmal immer noch eine kleine Gänsehaut:

“I’m Jack Johnson, Heavy Weight Champion of the World. I’m black and never let me forget it. I’m black, alright! And never let them forget it!”

Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen!

Credits: A Tribute to Jack Johnson3

Erscheinungsjahr: 1970
Besetzung:
Miles Davis: Trumpet
Steve Grossmann: Soprano Saxophone
Herbie Hancock: Organ
John McLaughlin: Guitar
Michael Henderson: Electric Bass
Billy Cobham: Drums

 
  1. und mit Genuss! []
  2. der Jack Johnson im Film verkörpert []
  3. Amazon Partnerlink []
 

Hörtipps mit Patina: The War Of The Worlds

Vinyl The War of The WorldsWie in diesem Notizbuch bereits mehrmals erwähnt, bin ich musikalisch in den späten 70ern geprägt worden. Das erkennt man vor allem daran, dass  das Erst-Erscheinungsdatum gut der Hälfte der Tonträger in meiner mittlerweile recht umfangreichen Musiksammlung irgendwann zwischen 1965 und 1979 angesiedelt ist… Dabei ist es auch ziemlich egal, um welche Stilrichtung es sich handelt, ich verfahre musikalisch nach dem Motto “Alt ist (meistens) besser!”. Ich bin also nicht unbedingt einer Meinung mit Barney Stinson. Man sieht, ich mag meine Mukke also gerne etwas abgehangen.

Ab und an wühle ich musikalische Kostbarkeiten aus meinem Fundus, die ich selber schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe. Der Vorteil, den diese verschüttet geglaubte “Perlen” mit sich bringen: Ich fühle mich beim Wiederanhören fast immer emotional in die Zeit versetzt, in welcher ich das Album das erste Mal gehört habe. Ich mache damit sozusagen eine kleine musikalische Zeitreise in meine jüngeren Tage.

Vor ein paar Tagen ist mir das wieder einmal passiert. Ich bin zufälligerweise bei Youtube über ein paar Clips aus den Liveaufführungen von “The War of the Worlds”1 gestolpert und hab mir dabei gedacht: “Ach, das könntest du dir doch auch mal wieder anhören.” Gedacht! Getan! CD heraus gekramt, schnell digitalisiert (wieso liegt das eigentlich noch nicht in iTunes?) und seitdem läuft das Teil in “heavy rotation” auf allen meinen Playern.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass mein Musikgeschmack ein recht anachronistischer ist, aber das ist bei “alten Säcken” halt so! Und es wird mit Sicherheit auch bei den meisten “alten Säcken” der Zukunft so sein. Mir kam vielleicht gerade deshalb die zündende Idee, in diesem meinem Blog Alben aus meiner Sammlung vorzustellen, welche

(1) schon ein bisschen Patina angesetzt und mich
(2) begeistert, bewegt oder sonstwie berührt haben.

In loser Reihenfolge natürlich, je nachdem, wie sie in meinen Wiedergabelisten auftauchen. Immerhin soll es in diesem Blog auch schwerpunktmäßig um Musik gehen und nicht nur um Vorratsdatenspeicherungen oder blöde Politiker. Weil das oben genannte Meisterwerk der Auslöser dafür war, fange ich auch damit an:

Jeff Wayne’s Musical Version of  The War Of The Worlds

The War of The Worlds


… and yet, across the gulf of space, minds, immeasurable superior to us, regarded the earth with envies eyes and slowly and surely they drew their plans against us.
(Richard Burton in “The War of  the Worlds”)

Auch wenn im Titel von einem Musical die Rede ist, würde ich das Ganze eher “Konzeptalbum” nennen. Es wird natürlich viel gesungen, aber nicht in der dialogorientierten Form des für Musical typischen Musiktheaters. Darüber hinaus sind auch längere Instrumentalpassagen enthalten, die den Kampf der Menschen gegen die Marsianer darstellen. Die Handlung basiert auf H.G. Wells berühmten Roman “Der Krieg der Welten” und ist schnell erzählt: Marsianer greifen die Erde an, metzeln alles nieder und haben fast die Menschheit vernichtet, als sie letztendlich von den unscheinbarsten, kleinsten Lebewesen der Erde besiegt werden – Bakterien.

Der Handlungsablauf wird von Richard Burton als Erzähler in der Figur des Journalisten George Herbert präsentiert. Seine Figur verbindet die einzelnen Songs miteinander und treibt die Handlung voran. Der Erzähler ist als Sprechrolle angelegt, Richard Burton muss also nicht singen. Die Songs wiederum stellen Höhepunkte der Handlung dar.

Jeff Wayne ist es gelungen, damals durchaus prominente Musiker und Sänger als Mitstreiter zu gewinnen. Unter anderem Justin Hayward (Moody Blues),  Phil Lynott (Bassist und Leadsäger von Thin Lizzy) oder Julie Covington, welche auch die Titelrolle im Musical Evita von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice sang.2. Liebhabern von “70er Jahre Rock” wird vor allem Chris Thompson als “The Voice of Humanity” etwas sagen, schließlich war er die Stimme der Manfred Man’s Earth Band, als diese ihre größten Hits hatten

Musikalisch kann man  The War Of  The Worlds am ehesten dem in den 70er Jahren sehr populären “Progressive Rock” zuordnen Demzufolge finden sich viele Elemente der Klassik darin, teilweise klingen die Songs wie mit einem Orchester aufgenommen. Erschienen ist The War Of The Worlds damals als Doppelalbum, deshalb ist die Handlung in zwei Teile (für jede Langspielplatte ein Teil) gegliedert: “The Coming of the Martians” und “The Earth Under the Martians”.

Fast zeitgleich mit der Originaversion kamen 1987 auch zwei spanische Aufnahmen, eine davon mit Anthony Quinn als The Journalist, auf den Markt. 1980 folgte auch eine deutsche Version, in welcher Curd Jürgens die Rolle des Sprechers übernahm. Allerdings wurden in den nichtenglischen Aufnahmen nur die gesprochenen Teile übersetzt, die Songs blieben im englischen Original.

Bis das Werk auf die Bühne kam, sollte es allerdings noch lange dauern. Erst 2006 wurde es zum ersten Mal live aufgeführt. 2012 veröffentlichte Jeff Wayne eine neue Aufnahme als “Jeff Wayne’s Musical Version Of The War of The Worlds – New Generation”, welche komplett überarbeitet und musikalisch modernisiert wurde. Mit dieser Aufnahme läuft auch gerade eine aktuelle Tour. Darin übernahm Liam Neeson die Rolle des Sprechers. Ich muss allerdings gestehen, dass mir die Originalversion erheblich besser gefällt. Die “New Generation” klingt mir etwas zu glatt und zu perfekt.

Meine persönliche Bewertung:  4 von 5 Sternen!

Credits: The War of the Worlds (30th Anniversary Edition)3

Produktion: Jeff Wayne
Erscheinungsdatum: 1978
Mitwirkende:

  • Richard Burton (George Herbert, the Journalist)
  • David Essex (The Artilleryman)
  • Phil Lynott (Parson Nathaniel)
  • Julie Covington (Beth)
  • Justin Hayward (The Sung Thoughts of The Journalist)
  • Chris Thompson (The Voice of Humanity)
  • Jerry Wayne (NASA Voice)
  • Paul Vigrass, Gary Osborne, Billy Lawrie (Hintergrundgesang)

Musiker:

  • Keyyboards: Ken Freeman, Jeff Wayne
  • Chris Spedding: Gitarre
  • Jo Partridge: Gitarre (The Heat Ray), Mandoline
  • George Fenton: Zantur, Zither, Tar
  • Herbie Flowers: Bass Guitar
  • Barry Morgan: Schlagzeug
  • Barry da Souza, Roy Jones, Ray Cooper: Perkussion

Hörproben zum Schluss
(die einzig vernünftigen Aufnahmen, die ich auf Youtube finden konnte. Das meiste ist leider gesperrt, weil “Verlagsrechte, blabblabla, Gema, blablabla”)

The Spirit of Man.

Und zum Vergleich dazu die deutsche Version der gleichen Stelle

 
  1. Leider meistens nur Trailer oder Handy-Konzertmitschnitte, die interessanten Clips sind… und nun ratet mal. Richtig! ;o) []
  2. Allerdings nur auf dem Studioalbum, nicht bei der Bühnenversion. Julie Covington konnte sich politisch nicht mit Evita Perón anfreunden. []
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